1. KidsDem-Fachtag 23.09.2022

KIDSDEM – Kinder und Jugendliche demenzerkrankter Eltern

Wissenschaft, Theorie und Praxis – Hintergründe und das interdisziplinäre Pilotprojekt KIDSDEM

Alzheimer Gesellschaft Bochum, St. Vinzenz e.V. und das LWL-Universitätsklinikums Bochum setzen sich für junge Betroffene ein und präsentieren neues Angebot

 

Gemeinsam stark für Kinder von jungen demenzerkrankten Eltern (von links): Verena Wisner (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen), Ministerialrat Norbert Albrecht (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen), Antje Hofmann (Verband der Ersatzkassen e.V./Landesvertretung NRW), Jutta Meder (Alzheimer Gesellschaft Bochum e.V.), Jan Hildebrand (St. Vinzenz e.V.), Barbara Crombach (Alzheimer Gesellschaft Bochum e.V.), Dr. Ute Brüne-Cohrs (LWL-Universitätsklinikum Bochum), Prof. Dr. Sabine Metzing (Universität Witten/Herdecke), Petra Funke (St. Vinzenz e.V.), Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki sowie Anna-Magdalena Schorling (St. Vinzenz e.V.)

Vorträge, anschauliche Berichte aus der Praxis und Lesung überzeugten: Ende September hatte eine Bochumer Kooperation der LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin, der Alzheimer Gesellschaft Bochum e.V. und der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Vinzenz e.V. Fachleute, Angehörige und Interessierte zur Fachtagung „KidsDem – Wissenschaft, Theorie und Praxis“ ins Hörsaalzentrum des St. Josef-Hospitals Bochum eingeladen und auf die spezielle Situation von Kindern und Jugendlichen mit dementiell erkrankten Eltern aufmerksam gemacht.

Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki war der Einladung gefolgt, aus ihrem Buch „Brunnenstraße“ vorzulesen, in dem sie ihr Zusammenleben mit einem alzheimerkranken Vater schildert. Der Fachtag machte deutlich, dass pflegende Angehörige die Hauptlast tragen und Kinder in diesem System eine besondere Stärkung und Stabilisierung benötigen.

„Für das Verständnis von jungen Leuten und für unsere Arbeit war es sehr hilfreich, dass sich Andrea Sawatzki bereit erklärt hatte, unsere Tagung im Rahmen einer Lesung mitzugestalten“, so Dr. Ute Brüne-Cohrs, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Geriatrie und Palliativmedizin in der Ambulanz für psychische Erkrankungen im höheren Lebensalter und in der Gedächtnissprechstunde der LWL-Universitätsklinik Bochum. „Denn sie weiß aus eigener Erfahrung um die zwiespältigen Gefühle von Angst, Verpflichtung und Wut.“ In ihrem Vortrag ging Dr. Brüne-Cohrs auf medizinische Zusammenhänge wie Diagnostik und Therapie ein und berichtete von ihren Erfahrungen im klinischen Alltag. „Eine Demenzerkrankung betrifft die gesamte Familie“, schildert die Fachärztin aus der Praxis. Wenn sich in ihrer Sprechstunde Eltern im jüngeren Lebensalter mit einer Demenz-Diagnose vorstellen, gilt ihre Aufmerksamkeit auch den Kindern und Jugendlichen. „Sie leiden in unvorstellbarem Maße unter der Erkrankung eines Elternteils und benötigen daher Unterstützung und Begleitung. Sie im gesamten Prozess nicht aus den Augen zu verlieren, ist erklärtes Ziel unseres KidsDem-Projekts.“

In einem weiteren Vortrag referierte Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Metzing (Universität Witten/Herdecke) zum Thema „Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige“, in dem es um die hochbelastete Lebenssituation von jungen Menschen als Pflegende von schwerkranken Angehörigen ging. Barbara Crombach, Leiterin der Beratungsstelle der Alzheimer Gesellschaft Bochum, gab in ihrem Bericht den Weg frei für eine psychosoziale Perspektive und stellte Hilfen zur Selbsthilfe und andere Unterstützungsaktionen vor: „Wir machen in unseren Beratungsgesprächen und vereinseigenen psychosozialen Angeboten die Erfahrung, dass besonders die Kinder Leidtragende sind und für sie spezielle Angebote vonnöten sind. Die Zeit ist reif für KidsDem.“

Mit einem gemeinsamen Reflexionsvortrag plädierten Bereichsleiter und Diplom-Heilpädagoge Jan Hildebrand und Sozialarbeiterin Anna-Magdalena Schorling vom St. Vinzenz e.V. für eine Fokussierung von Hilfemaßnahmen wie das KidsDem-Projekt: „Die Erkrankung entmachten – Entlastung und Empowerment durch pädagogische Interventionen im Rahmen sozialer Gruppenarbeit“. Die beiden St. Vinzenz-Fachleute sind für die Umsetzung des interdisziplinären Jugendhilfe-Projekts zuständig, in dessen Fokus junge Menschen im Alter von 13 bis 21 Jahren stehen. Ihre Arbeit bestätigt: „In unseren Gruppen können sich die Kinder und Jugendlichen austauschen und entlasten – untereinander wie auch bei den Pädagoginnen und Pädagogen“, so Jan Hildebrand. „Wir möchten mit unserem Angebot Fachleute aus dem Gesundheitsbereich, der Sozialfürsorge und der Jugendhilfeberatung sowie am Thema interessierte Menschen erreichen und sie über das neuartige Projekt informieren.“

Ziel ist es, mit dem durch das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und die Landespflegekassen geförderte Vorhaben auf das neue Angebot aufmerksam zu machen, die Versorgungssituation des Ambulanten Pflegesystems zu stärken und zu stabilisieren und weitere Hilfen für betroffene junge Menschen zu entwickeln und zu etablieren. Das im Frühjahr gestartete Projekt hat mittlerweile eine Homepage und Informationsbroschüren sowie das Gruppenangebot „dEMPOWER“ für junge Menschen entwickelt. Rosa Sommer, LWL

Vorträge

Frau Dr. Ute Brüne-Cohrs, LWL-Universitätsklinikum Bochum
Eine Demenzerkrankung betrifft die gesamte Familie – eine medizinische Übersicht

Frau Barbara Crombach, AlzheimerGesellschaft Bochum e.V.
Alleine schafft es keiner – Hilfen zur Selbsthilfe und andere Unterstützung für Familien – eine psychosoziale Perspektive

Frau Anna Schorling, Herr Jan Hildebrand, St. Vinzenz e.V.
Die Erkrankung entmachten – Entlastung und Empowerment durch pädagogische Interventionen im Rahmen sozialer Gruppenarbeit